E-Mobilität, Wasserstoff, Solarenergie – die Automobilbranche befindet sich in einer nie dagewesenen Umbruchphase. Nach gut 150 Jahren, in denen der Verbrennungsmotor in verschiedensten Varianten als verlässlicher Antrieb verbaut wurde, scheinen seine Tage nun gezählt zu sein. Getrieben von neuen Playern am Markt (allen voran natürlich Tesla) gilt es für die alten Riesen der Branche technologisch mitzuhalten. So sehen die Pläne der deutschen Hersteller Mercedes-Benz, BMW, Volkswagen und Audi für die Zukunft aus.
Mercedes-Benz – Too late to the Party?
Die Daimler-Tochter mit dem Stern ist mit Abstand Deutschlands bekannteste und wertvollste Marke. Das liegt vor allem an den Erfolgen aus der Vergangenheit.
Richtet man den Blick nach vorne, sind viele Herausforderungen auszumachen. So mussten sich die Stuttgarter jüngst einiges an Kritik gefallen lassen, die E-Mobilität scheinbar verschlafen zu haben. Denn erst 2019 wurde mit dem EQC der erste vollelektrische Stern auf die Straße gebracht. Zum Vergleich: Tesla ging 2008 mit dem weltweit ersten elektrischen Serienfahrzeug, dem Roadster, in die Produktion.
Elektrische Intelligenz
Jetzt aber scheint man sich einig zu sein: Die Zukunft fährt elektrisch. Die neuen vollelektrischen, aber auch die hybriden Modelle tragen alle die Buchstaben EQ in der Modellbezeichnung – das steht für elektrische Intelligenz. Im Oktober 2020 wurde nun ein EQ-Fahrplan offengelegt: Auf den EQC folgt der EQS, danach gesellen sich zwei SUVs hinzu: EQG und EQGLC. Gleichzeitig wird eine neue elektrische Plattform für kleinere Fahrzeuge entwickelt, die den Namen Mercedes Modular Architecture (MMA) trägt. Das erste Fahrzeug, das hierauf basieren wird, soll 2024 auf den Markt kommen. Das Motto ist klar definiert: Lead in electric drive and car software. Die Marke will Vorreiter in der E-Mobilität werden und treibt gleichzeitig die Software-Entwicklung voran. Strategische Partnerschaften mit Batterieherstellern (Farasis aus China) sollen jetzt die Wende einläuten und so soll ab dem Jahr 2039 vollkommen auf Benziner und Diesel verzichtet werden.
Und sonst so, Mercedes-Benz?
Die Entscheidung, den durch Wasserstoff angetriebenen GLC F-Cell komplett vom Markt zu nehmen kann als klares Statement interpretiert werden: Wasserstoff ist für den Mutterkonzern Daimler keine wirkliche Alternative zu Verbrennern oder Batterietechnologien für die PKW-Sparte. Somit setzt der Stern aktuell alle Hoffnungen in die immer effizienteren gestalteten Batterien.
Aktuelle Concept Cars von Mercedes-Benz:
BMW – Wie sieht das Auto der Zukunft aus?
BMW ist sich sicher: „Das Auto der Zukunft fährt elektrisch, vollvernetzt und autonom“. Als Referenz wird hierfür in die Vergangenheit geblickt. K.I.T.T., David Hasselhoffs treuer Begleiter aus der Fernsehserie Knight Rider wird auf BMWs Themenseite zum Auto der Zukunft prominent gefeatured. Doch anders als die Konkurrenz aus Stuttgart, mag man sich in Bayern mittelfristig noch nicht endgültig von den Verbrennern verabschieden: „Die Elektromobilität wird sehr stark zulegen. Bis sie aber die gesamte Masse erreicht, werden wir noch lange alle Antriebsformen nebeneinander sehen.“, sagt BMW-Vertriebschef Pieter Nota.
Das i-Tüpfelchen
2010 hat BMW die Submarke BMW i gegründet, mit der die Elektrifizierung des Konzerns vorangetrieben wird. Drei Jahre später fuhr dann auch schon der erste vollelektrische Serienwagen vom Band: der i3 – ein Kleinwagen von dem mittlerweile ganze 200.000 Exemplare über die Straßen dieser Welt fahren. Den i8 vernachlässigen wir an dieser Stelle, da die Produktion schon wieder eingestellt wurde. Beide galten bei ihrer Einführung durch ungewohnt aufgeräumte Cockpits und ihre Formführung als Exoten. Mit dem i3s folgte 2017 das Update und mit den Lehren aus den vorangegangenen Produktionen ist bis Ende 2021 der Luxus-SUV iX zu erwarten; ein „Loft auf Rädern“, wie ihn Adrian van Hooydonk, BMWs Design-Chef, nennt. Der iX zeigt durch die Integration von 5G auf, welcher Innovationsaspekt den Bayern neben der Elektrifizierung, wichtig ist: Vollvernetzung. Und irgendwo am Horizont fahren die zukünftigen Modelle autonom.
Und sonst so, BMW?
Bis zum Jahr 2030 sollen sieben Millionen elektrifizierte Fahrzeuge ausgeliefert werden – zwei Drittel vollelektrisch. Ebenso soll bis zum Ende der Dekade die Hälfte der Modellpalette elektrisch fahren. Das alles gehört zur Nachhaltigkeitsoffensive der gesamten BMW Group. Man sei sich seiner Verantwortung im Kampf gegen den Klimawandel und einem nachhaltigen Umgang mit Rohstoffen bewusst: „(…) von Verwaltung und Einkauf über Entwicklung und Produktion bis hin zum Vertrieb.“, so Oliver Zipse, Vorsitzender des Vorstands.
Aktuelle Concept Cars von BMW
Volkswagen – Nach und nach immer nachhaltiger
Der größte Autobauer der Welt, Volkswagen, hat eine unvergleichliche Nachhaltigkeitsoffensive gestartet. So reicht es den Wolfsburgern nicht, die Flotte zu elektrifizieren: absolute Klimaneutralität ist das hochgesteckte Ziel. Bis 2050 soll es soweit sein. Über die gesamte Entwicklungs- und Produktionskette sollen dann keine klimaschädlichen Stoffe mehr produziert werden. Mit dem ID.3 hat man nun einen ersten Schritt in diese Richtung gewagt. Die Herstellung des Hoffnungsträgers des Konzerns wurde auf die Einsparung von CO2 hin optimiert.
Eine neue Identität – Die ID-Family
Der Kerngedanke von ID ist die Demokratisierung der Elektrifizierung: Jeder soll sich E-Mobilität leisten können und somit seinen Anteil zu einer klimafreundlichen Personenbeförderung beitragen. Den Anfang hierbei machte dieses Jahr der schon erhältliche ID.3, der an die Erfolge des Golf anknüpfen soll. Es folgte auf dem Fuße der größere Bruder, der ID.4. Ein Elektro-SUV, das schon kurz nach Vorstellung bestellbar gewesen ist. Nun werden nach und nach die verschiedenen Fahrzeugklassen elektrifiziert. Das Polo-Pendant, der ID.2 soll beispielsweise 2022/23 folgen.
Und sonst so, Volkswagen?
Bis 2022 sollen insgesamt acht Werke weltweit die Elektrifizierung der Wolfsburger vorantreiben. Hier sollen mit Hilfe des neu entwickelten MEB (Modularer E-Antriebs-Baukasten), auf dem auch schon die aktuelle erhältlichen IDs basieren, bis zum Ende des Jahrzehnts unglaubliche 26 Millionen Fahrzeuge hergestellt werden.
Aktuelle Concept Cars von Volkswagen
Audi – Die schönste Form der Nachhaltigkeit?
Für Audi gelten die gleichen Vorgaben, die sich der Mutterkonzern Volkswagen gemacht hat: Im absoluten Fokus steht, neben der Elektrifizierung, die klimaneutrale Entwicklung und Produktion zukünftiger Fahrzeuge. Audi wäre allerdings nicht Audi, wenn sie dies nicht mit einer Premium-Attitüde angehen würden. Was steckt nun also hinter #FutureIsAnAttitude?
Die Thronfolge ist geklärt – Audi e-tron
30 Modelle sollen bis Mitte des Jahrzehnts elektrifiziert sein. Davon sind die beiden E-SUVs e-tron und e-tron Sportsback bereits auf dem Markt. Und diese lassen sich ganz klar im Premiumsegment verorten. Anders als der Mutterkonzern aus Wolfsburg setzt Audi beim Bau nicht ausschließlich auf die neue MEB-Plattform, sondern auf eine modifizierte Verbrennerplattform (MLB evo). Insgesamt vier Plattformen werden in der nahen Zukunft zum Einsatz kommen, die die Konstruktion einer Vielzahl von Modellen erlauben.
Und sonst so, Audi?
Auch Audi befindet sich in einem radikalen Umschwung. Neben der Elektrifizierung ist auch das autonome Fahren ein Entwicklungsschwerpunkt – ähnlich zu BMW. Dies wird auch durch die Namensgebung der aktuellen Concept Cars des Konzerns verdeutlicht, finden sich doch die beiden Buchstaben AI (Artificial Intelligence = Künstliche Intelligenz) darin.
Im Moment deutet vieles darauf hin, dass Audi das aktuelle Modellprogramm ordentlich auf den Kopf gestellt wird und Du Dich in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts zwischen vielen neu konzipierten Audis entscheiden darfst.
Aktuelle Concept Cars von Audi
Die Alternativen zur Batterie
Alle großen Hersteller setzen derzeit und auch in absehbarer Zukunft auf die Batterie. Die aktuelle Entwicklung zeigt, dass die E-Mobilität noch an Effizienz und Komfort gewinnen wird. Effizienz, weil die Reichweiten gesteigert werden und somit ein großer Kritikpunkt wegfallen wird. Komfort, weil die Ladezeit deutlich verringert wird. Doch bei alldem darf nicht außer Acht gelassen werden, dass der Strom, mit denen die Fahrzeuge betrieben werden, auch produziert werden muss. Und dieser Strom ist nicht immer grün. Daher gilt es, auch alternative Möglichkeiten weiterhin im Auge zu behalten.
Wasserstoffantrieb
Von einigen favorisiert, gilt der Wasserstoffantrieb als beste Alternative zum auf Lithium-Ionen basierenden Batterieantrieb. Die Vorteile sind vielseitig. Mit Hilfe von Wasserstoff können große Reichweiten erzielt werden, er gilt als vergleichbar kosteneffizient und das Erdgas, das zur Produktion benötigt wird, ist langfristig verfügbar. Jedoch: „Immer, wenn die Reichweitenanforderung nicht so hoch ist, die Batterie nicht so groß sein muss, ist das Batteriefahrzeug deutlich vorne“, erklärt Angelika Heinzel, Geschäftsführerin des Zentrums für Brennstoffzellentechnik an der Universität Duisburg-Essen. Ähnlich sehen das die Entwickler bei Daimler. Hier wird vor allem bei der Entwicklung zukünftiger Busse und LKWs auf die Brennstoffzelle gesetzt.
Solarenergie
Ob und wann es zur Straßenreife von Solarenergie kommt, steht im wahrsten Sinne des Wortes noch in den Sternen. Zwar wird die Entwicklung auch hier vorangetrieben, dennoch können solarenergiebetriebene Fahrzeuge sich aktuell nur bei direkter Sonneneinstrahlung fortbewegen. Zur Speicherung der Energie wird dann ein Akku benötigt, womit wir wieder bei der Batterie angekommen sind.
Biogas
Biogas galt vor der großen Elektro-Offensive als eine echte Alternative zum Verbrenner. Jedoch hat sich das Angebot in den letzten Jahren deutlich verkleinert. Ein paar Hersteller bieten weiterhin Biogasantriebe an. Dazu gehören der FCA-Konzern (Fiat) und auch VW. Langfristig wird dieser Antrieb höchstwahrscheinlich aber keine große Rolle spielen, um Einfluss auf den Kampf gegen den Klimawandel zu nehmen.
Fazit: Ein Versuch
So unterschiedlich die Szenarien für die Fahrzeughersteller auch sein mögen, eines vereint doch alle Marken: Der Wille zum Wandel. Und so lässt sich zum Ende nur eines wohl sagen – man darf gespannt bleiben.